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Trainieren mit dem Meister

  • andreageisslitz
  • 30. Juli
  • 7 Min. Lesezeit

Unser Oberstufen-Lehrer Florian coacht nicht nur unser schuleigenes Flagfootball-Team „Monte Knights“, sondern war auch erfolgreicher Trainer sowohl im Tackle Football als auch der deutschen Nationalmannschaft im Flagfootball. Heute berichtet er, welche Rolle Football in seinem Leben gespielt hat und spielt, welchen Wert der Sport für Kinder und Jugendliche hat und was er mit den Monte Knights plant.

  

Florian, wie bist Du überhaupt zum Football gekommen?

Angefangen hat es mit einem Artikel von Peter Sartorius in der GEO über die Dallas Cowboys. Das war der FC Bayern unter den Football-Clubs. Er hat sich aufgemacht nach Amerika, um über die degenerierte Sportart einer degenerierten Gesellschaft zu schreiben. Und dann haben sie ihn umgedreht und ihn gelehrt, dieses Schachspiel mit menschlichen Figuren zu lieben. Diesen Artikel habe ich mit 16 Jahren gelesen und wollte Football spielen. Aber meine Eltern sagten: „Nein“.

 

Dann sind zwei unglaubliche Sachen passiert. Zum einen hatten meine Eltern ein befreundetes Ehepaar, die beide Ärzte waren und beide in den USA studiert hatten. Die haben meinen Eltern glaubhaft versichert, dass es beim Football Überlebende gibt. Außerdem gab es einen Professor an der LMU, der zum Freundeskreis meiner Eltern gehörte. Er sagte zu meinen Eltern: „Wenn ihr Florian was Gutes tun wollt, dann lasst ihn Football spielen.“ Und das ist wahrscheinlich das wichtigste Satz, der jemals über mich gesagt wurde.

 

Und dann ging es los mit Deiner Football-Karriere?

 

Ich habe mir dann erstmal eine gebrauchte Ausrüstung für 300 D-Mark gekauft. Ich habe die schwarze Hose über die weiße Hose angezogen und wurde prompt ausgelacht. Denn die weiße Hose ist die Trainingshose und die schwarze Hose ist die Spielhose. Das war meine erste Lektion.

 

Trainiert haben wir im Englischen Garten, weil wir keinen Trainingsplatz hatten in den 80er Jahren. Also sind wir mit 12 Kilo-Schutzpanzern hinter dem Haus der Kunst zwischen den Nacktbadern rumgelaufen. Es muss ein Bild für Götter gewesen sein.

 

Wir hatten von Football keine Ahnung. Und ich war nicht der Agilste und konnte weder gut werfen noch gut blocken. Aber ich bin zwischen den Ohren ganz gut verdrahtet und habe mir diesen Sport dann angeeignet. Internet gab es noch nicht, deshalb bin ich in einem Amerika-Urlaub in jeden Used Book Store gegangen und habe mir jedes Buch, in dem das Wort „Football“ aufgetaucht ist, gekauft. Diese Informationen habe ich in brauchbares Wissen verwandelt und bin dann sehr früh – schon mit 18 Jahren - Trainer geworden.


Was waren die Höhepunkte der Football-Trainer-Laufbahn?


Mit einem Freund, der Football spielen wollte, bin ich zu den Munich Cowboys gegangen. Dort wurde ich gefragt, ob ich als Trainer einspringen will. Dann habe ich vier Jahre lange die Defense bei den Munich Cowboys trainiert und wir sind deutscher Meister geworfen mit einer überragenden Abwehr. 1995 bin ich nach Frankfurt gegangen zur zweiten Liga der NFL und durfte dort zwei Jahre trainieren. Ich hatte dort echt eine gute Zeit und konnte an ein paar Punkten durch das Stellen kleiner Schrauben viel bewegen.

Die zwei Jahre Profitrainer in Frankfurt haben mich sichtbar gemacht. Dann kam das DSF und ich habe meine Kommentatoren-Tätigkeit angefangen, die ich bis heute – mittlerweile bei DAZN – weiterführe.


Vom Profitrainer zum Lehrer in Niederseeon? Wie ist das gekommen?


Ich war dann noch Trainer in Hamburg und in Rothenburg. Und dann ging es direkt vom Football-Feld in die Schule. Wir hatten unser erstes Kind, Geld war plötzlich ein Thema und eine gewisse Stabilität wurde nötig.

 

Ich habe kein Referendariat gemacht und durfte in Vaterstetten zwei Wochen Schulluft schnuppern. Und das hat mir so gut gefallen, dass ich das ganze Schuljahr geblieben bin, Vertretungsstunden übernommen und das „Handwerk“ gelernt habe. Ich habe dann in einer Schule in Trudering angefangen und dort das Schul-Football-Team trainiert. Dabei habe ich immer wieder gemerkt, was für ein wertvolles pädagogisches Werkzeug Football ist. Denn es gibt in der Mannschaft für jedes athletische Profil einen Platz und nur wenn alle ihren Job machen, funktioniert das Team. Und: Wir können beim Football einfach mal wild und stark sein, toben, rennen, schreien, d.h. all die Sachen machen, die in uns allen drin sind.

Nach drei Jahren bin ich ins Piusheim gewechselt und habe dort eine neunte Klasse übernommen, die einen Ruf hatte. Aber 14 davon waren in meinem Football-Team. Und wenn ich den Gang runterkam, sind meine Spieler – die normal die Schlimmen waren - vor ins Klassenzimmer und haben zu den anderen gesagt: „Setzt euch hin, der Coach kommt.“ Beim Football spüren die Kids, dass sie gesehen werden mit ihren Qualitäten und nicht mit ihren Defiziten. Durch die Begegnung außerhalb der Lehrerrolle passieren Sachen, die mit dem Sport nichts zu tun haben. Dadurch kommt man an solche Kids ran und schafft es, Leiden zu verringern und zu verhindern.

 

Von diesem Wert des Footballs zehre ich jeden Tag, weil ich durch den Sport mit den Wilden, Lauten – überwiegend – Jungs, ein ganz tolles Verhältnis habe.


Ich überlege auch, ob ich – wenn für mich das Kapitel aktiver Lehrer abgeschlossen ist – ich nicht in irgendeine Art von Lehrerfortbildung gehe, um anderen dieses Werkzeug an die Hand zu geben. Das geht sicher auch mit jedem anderen Sport oder Musik. Aber Football ist etwas, das dem Schulischen diametral entgegensteht: Du darfst laut sein, Du darfst wild sein, Du musst Dich bewegen, Gas geben, Power haben. Damit schafft Football einen Ausgleich.


Deshalb bin ich sehr froh, dass der Sport an der Schule einen Platz gefunden hat.


Vor zwei Jahren hast Du nochmal einen Ausflug in den Profisport gemacht. Wie kam es dazu?

 

Ich bekam unerwartet einen Anruf von einem ehemaligen Spieler aus meiner Profitrainerzeit. Ich hatte ihn nur aushilfsweise für drei Wochen betreut, aber er meinte, dass er die Dinge, die ich ihm beigebracht hatte, heute noch so an junge Spieler weitergeben würde. Und dass ihn nicht nur mein Wissen beeindruckt hätte, sondern die Art und Weise, wie ich ihn gecoacht hätte. Und ob ich nicht Lust hätte Bundestrainer der Flag Football Nationalmannschaft zu werden. Der alte Trainer hätte aus gesundheitlichen Gründen aufgehört. Ich war erst Mal baff. Aber Bundestrainer wollte ich schon immer werden. Eigentlich beim Tackle Football, wo ich 40 Jahre lang aktiv war. Aber Flag Football machte ich ja schon seit Jahren an der Schule. Also habe ich mich auf die Stelle beworben und bin genommen worden.


Ich habe dann schnell gemerkt, dass Flag Football an der Schule und im internationalen Wettkampf zwei sehr unterschiedliche Sportarten sind. Also, kurz gesagt, ich musste die Sportart, der ich als Cheftrainer vorstand, erst mal lernen. Die Mannschaft und die Assistenztrainer, die alle im Vorjahr bei der WM zusammen waren, haben dieses Lernjahr toll mitgetragen und mich sehr gut unterstützt. Das war eine eingespielte Truppe und ich habe in dieser Situation nur ein paar grundsätzliche Entscheidungen getroffen und ein paar Impulse gesetzt, die das Team dann meisterschaftstauglich gemacht haben. Die Hauptarbeit aber lag bei meinen beiden Assistenten. Sie formten die taktischen Konzepte, die die Mannschaft so gut umgesetzt hat, dass wir im August 2023 in Irland zum ersten Mal Europameister werden konnten.


Jetzt aber mal für Laien: Was ist denn der Unterscheid zwischen American Football und Flag Football?

 

American Football oder Tackle Football wird elf gegen elf mit Helm und Schulterschutz gespielt, weil es ein Vollkontakt Kampfsport ist, wie zum Beispiel auch Eishockey. Nur dass die Spieler noch größer und schwerer sind. Spieler der vordersten Reihe bringen schon mal 150 kg auf die Waage. Und die rempeln sich gegenseitig 50- bis 60-mal aus dem Weg, damit die Spieler mit Ball nach vorne laufen können. Im Flag Fooball haben wir nur die Spieler mit dem Ball, also die quirligen schnellen, beweglichen und leichteren Athleten. Bei uns bleiben pro Team also nur fünf Spieler auf dem Feld. Unser Feld hat dafür nur etwa 1/3 der Größe eines Tackle Football Felds.

 

Der wichtigste Unterschied liegt im Namen. Bei Tackle Football wir der Spieler mit dem Ball getackelt, also umgerissen, umgestoßen, bis er am Boden liegt. Beim Flag Football hat jeder Spieler einen Gürtel mit zwei Plastikstreifen – den Flags – die der Gegner abreißt, an der Stelle, wo er den Ballträger hätte umrempeln können. Darauf verzichtet er beim Flag Football und führt diesen „Tackle“ symbolisch aus, in dem er die Flagge zieht.

 

Flag Football wird ab 2028 eine olympische Sportart sein, die Tackler werden das vermutlich nie.

 

Warum bist Du trotz des EM-Erfolgs als Nationaltrainer wieder zurückgetreten?


Ich komme ja nicht aus diesem Eck, d.h. im ersten Jahr war ich als Nationaltrainer Lernender. Dann kamen Themen aus meinem persönlichen Umfeld dazu, die mich fast gelähmt haben. Deshalb habe ich das zweite Jahr als Trainer im Prinzip verschlafen, ich war nicht so präsent und habe nicht den Einfluss genommen, den ich hätte nehmen sollen. Und das hat man dann bei der WM gemerkt, die wir gründlich verkorkst haben. Das war für mich ein klarer Hinweis, dass ich im Moment nicht in der Lage bin dieses Amt sinnvoll auszufüllen – im Gegenteil: Dass es mich zusätzlich belastet. Deshalb habe ich meinen Rücktritt eingereicht.  

 

Ich bin damit sehr in Frieden, auch wenn mich Olympia sehr gereizt hätte. Aber ich bin jetzt 60 Jahre alt und habe so viel bekommen in meinem Leben und es gibt jetzt gerade andere Sachen, die wichtiger sind als eine Medaille.

 

 

Und was sind Deine Pläne für die Monte Knights?


Vieles, was ich in der Nationalmannschaft nicht tun konnte, lasse ich jetzt ins Schulteam mit einfließen.

 

Die Monte Knights machen gerade einen riesigen Sprung, auch weil ich meine Energie ganz anders für das Team einsetzen kann. Und wenn man selbst diese Energie hat, dann fliegen einem die Sachen zu: Ich habe jetzt zwei Assistenztrainer, wir treffen uns wöchentlich als Trainerstab hier in meinem Büro.

 

Wir sind aktuell 24 Spielerinnen und Spieler im Team und das Team wächst weiter. Wir haben eigene Trikots bekommen, wir waren im Trainingslager und haben im Juni das erste Mal sehr erfolgreich an einem Turnier teilgenommen.

 

All das ist auch deshalb möglich, weil wir von der Schule unglaublich gut unterstützt werden. Hier hat man früh erkannt, was für ein mächtiges pädagogisches Tool Football ist. Bewegung, Teamgeist, die wilden Jungs haben plötzlich einen Platz, wo sie hingehören und nicht ständig kritisiert werden. Als Trainer habe ich das Privileg, für all das loben zu dürfen, was im Klassenzimmer keinen Raum hat.


ree

 
 
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