Was unterscheidet normale Konflikte unter Kindern von Mobbing? Welche Anzeichen für ein systemisches Mobbing gibt es? Und wie können Eltern ihre Kinder in einer solch schwierigen Situation unterstützen?
Zu diesen Fragen hat die Schule am Donnerstag, den 25. Januar, ein Elternforum veranstaltet. Als Referentin durften wir Diplom-Mediatorin Renate Grote-Giersch begrüßen, die seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Bereichen der Konfliktarbeit an Schulen arbeitet. Gut 40 Eltern und Lehrkräfte trafen sich abends an der Schule, um gemeinsam Antworten zu finden.
Konflikte als Lernchancen begreifen
“Konflikte gibt es überall, wo sich viele Menschen mit ihren eigenen Bedürfnissen einen gemeinsamen Raum teilen. Das ist auch an unserer Schule nicht anders”, so Schulleiter Ronny Haselow. Dabei entstehen Reibung und Druck, die sich in Form von Konflikten entladen. “Konflikte entstehen immer aus einer konkreten Situation heraus und sind lösungsorientiert", so Mediatorin Grote-Giersch. “Kinder wollen diese Konfliktsituationen lösen und sind bereit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das ist eine riesige Lernchance für beide Seiten!”
Verantwortung für die eigenen Konflikte übernehmen
“An unserer Schule arbeiten wir mit dem Deeskalationsmodell”, so Ronny Haselow. “Wir ermutigen unsere SchülerInnen, selbst Verantwortung für das Konfliktgeschehen zu übernehmen und miteinander Lösungen zu finden. Wir als PädagogInnen setzen lediglich Impulse und unterstützen den Prozess mit Handwerkszeug wie Kommunikationstechniken.” Brücken bauen und Verständnis füreinander schaffen: Das ist eine Aufgabe, an der sich die Kinder an unserer Schule selbst ausprobieren und daran wachsen können.
Reicht dies in manchen Situationen nicht aus, sucht die Schule das gemeinsame Gespräch mit SchülerInnen und Eltern, oder in weiterer Folge mit StufenkoordinatorInnen, VertrauenslehrerInnen oder der Schulleitung.
Ein dynamisches System, das Kinder nicht selbst durchbrechen können
Mobbing funktioniert nach anderen Mustern als Konflikte. Im Zentrum der Mobbing-Angriffe steht ein Kind, das von einer Gruppe anderer Kinder geplant und absichtlich gekränkt wird - oft subtil und im Verborgenen, über Wochen und Monate hinweg. Als Aufhänger dienen Äußerlichkeiten wie Kleidung, Aussehen, aber auch Nationalität, Schwächen oder Verhaltensweisen, die so lange öffentlich angeprangert werden, bis sich immer mehr Kinder aus der Klassengemeinschaft von dem betroffenen Kind distanzieren.
“In jeder Klasse gibt es ein paar Kinder, die dissoziales Verhalten testen”, berichtet Mediatorin Grote-Giersch aus ihrer langjährigen Praxis. Eine Mobbing-Dynamik entsteht dann, wenn die Akteure damit Erfolg haben. “Sie merken, dass ihre Attacken das andere Kind treffen, verunsichern oder verärgern. Diese Reaktionen machen es erst interessant.” Es folgt die externe Bestätigung durch die ersten Lacher aus der Klasse, und schon entsteht eine Machtdynamik, die weder Akteure noch Betroffene mehr auflösen können.
Am häufigsten tauchen Mobbing-Vorfälle in der 2. / 3. und in der 7. / 8. Klasse auf, so die Erfahrung von Frau Grote-Giersch. Geschlechter-spezifische Unterschiede gibt es nicht. Sowohl Mädchen als auch Jungen werden gleich häufig zu Akteuren und Betroffenen von Mobbing.
Wirksame Strategie bei Mobbing: Der No Blame Approach
Werden Eltern und Lehrkräfte mit einem Mobbing-Verdacht konfrontiert, stehen sie oft ratlos daneben oder werden sogar unbewusst in die Dynamik hineingezogen. Es braucht einen klaren, strukturierten Eingriff von außen, um dieses komplexe Machtgefüge zu entzerren.
Die Montessori-Schule Niederseeon setzt hier auf den No Blame Approach. Er greift schnell und sorgt dafür, dass sich die belastende Situation für das betroffene Kind schnell verbessert. Damit dieser Erfolg nachhaltig ist, braucht es ca. 6 Monate an genauer Beobachtung und Begleitung der Klasse, damit sie nicht in vorherige Verhaltensweisen zurückrutscht.
Handlungsempfehlungen für Eltern
Was können Eltern nun tun, wenn sie eine Mobbing-Situation vermuten? “Wach und aufmerksam sein”, rät Renate Grote-Giersch. “Wiederholt kaputte, verschmutzte oder verloren gegangene Sachen, Angst vor der Schule, Schlafstörungen, wiederkehrende Bauch- und Kopfschmerzen: All das können Indizien für Mobbing sein.” Viele betroffene Kinder erzählen ihren Eltern nichts von den Vorfällen in der Schule: aus Scham, weil sie diese Dinge mit sich machen lassen, weil sie berechtigt daran zweifeln, dass ihre Eltern irgendetwas dagegen tun können, oder weil sie den “Eltern-Joker” erst als letzten Ausweg ziehen wollen.
“Kommt ein Kind zu Ihnen und erzählt Ihnen von solchen Vorfällen, loben und bestätigen Sie es unbedingt! Ermutigen Sie Ihr Kind, einer Lehrkraft oder anderen verantwortlichen Person an der Schule davon zu erzählen”, so die Mediatorin. “Fragen Sie Ihr Kind, was es braucht, um den nächsten Schritt zu tun. Bieten Sie an, das Gespräch gemeinsam mit ihm und einer Lehrkraft zu führen. Auf keinen Fall sollten Sie als Elternteil selbst versuchen zu intervenieren, und z.B. Schuldzuweisungen oder Forderungen nach Bestrafung in Klassenchats zu machen. Das führt in der Regel zu einer Verschlechterung der Situation.”
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